Mit dem Domizilwechsel des Bezirksgerichts steht das Rathaus - Eigentum der Stadt Arbon - in Zukunft vor einer neuen Bestimmung, einem Wendepunkt in der 750-jährigen wechselvollen Geschichte eines der meistfotografierten Altstadthäuser. Architekturgeschichte, Bewohner und Nutzung des Rathauses sind ein Spiegel der lokalen Geschichte.
Das alte Rathaus von Arbon:
Bereits in der Stadtrechtsurkunde von 1255 erwähnt Bischof Eberhard von Waldburg die vorhandenen Tore und den Graben, zu denen wahrscheinlich auch der Turm gehörte, der das zentrale Bauwerk des alten Rathauses ist. Der Bau der Stadtmauer kann daher logischerweise in die gleiche Zeit datiert werden. Untersuchungen von unbeschädigten Bauhölzern nach dem Rathausbrand im März 1994 deuten auf die Errichtung des Eckturms mit Obergaden um 1310 hin. Mit Sichtverbindung zum oberen Burgtor diente das Gebäude als Wachturm, Wohnturm und Teil der Stadtbefestigung.
1407 bestätigte Bischof Albrecht von Konstanz den Arbonern, "die Güter, die sie nutzen und besitzen, als Lehen von ihm und der Hofkirche, alles in ihre Hände zu geben". Erwähnt werden die Stachermühle und der Bühlhof - beide von der Stadt vor 1798 an Privatpersonen verkauft - sowie das Rathaus. Der Grund für die Schenkung ist die Treue der Stadt zum Bischof während der Appenzellerkriege und die Kriegsschäden und -kosten, die die Arboner erlitten haben.
In einer Lehnsurkunde von 1566 wird das unmittelbar angrenzende Gebäude mit der Pfisterei (Bäckerei) beschrieben. Im Jahr 1736 folgt ein weiterer Anbau, der zunächst als katholisches Schulhaus diente (heute gelbe Fassade). Die reformierten Schüler besuchten zu dieser Zeit die Schule im heutigen Römerhof. 1792 wurde der Neubau der Obergaden mit dem heutigen Rathaus errichtet. Das Rathaus wurde bereits im 16. Jahrhundert als Rats- und Gerichtssaal erwähnt. Im Laufe der Zeit tauchen bekannte Namen als Lehnsnehmer (Pächter) und Bewohner des Rathauses auf: Die St. Galler Kaufleute Entgasser, die Blarers von Wartensee, die Arboner Strauss, Stoffel und Mayr.
1882, während der Bauarbeiten im Wohnhaus, schenkte die Burgergemeinde (damalige Besitzerin) den prächtigen Kachelofen mit seinen markigen Sprüchen dem Historischen Verein des Kantons Thurgau. Er ist noch heute im Gerichtssaal des Historischen Museums im Schloss Frauenfeld zu bewundern. Das bei der Renovation 1929 entdeckte Wappen der Entgasser wurde durch den Maler August Schmid aus Diessenhofen restauriert. Auch das dem ältesten Stadtsiegel von 1384 nachempfundene Wappen an der Südfassade ist sein Werk. 1937 werden die äussere doppelte Eingangstreppe - anstelle der früheren steilen Rampe - und der Brunnen gebaut. Wenige Jahre später kommen die Skulpturen spielender Kinder hinzu, eine Bronzeskulptur des Bildhauers Ernst Heller aus Eglisau.
Seit der Gründung des Kantons 1803 tagte das Bezirksgericht im alten Rathaus. Ab 1926 wurde es auch für standesamtliche Trauungen genutzt, und nach 1928 zog die Arboner Ortspolizei ein, die hier ihr Büro und ihre Haftanstalt einrichtete und 1942 aufgelöst wurde. Die Kantonspolizei übernahm das Lokal und blieb bis zum Brand im Jahr 1994 im Rathaus.
Die Restaurierung, die in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege durchgeführt wurde, trägt den aktuellen Bedürfnissen des Landgerichts Rechnung. Gleichzeitig werden die beiden benachbarten Gebäude saniert. Platzmangel ist der Grund für den Umzug des Amtsgerichts in das ehemalige Seurer-Verwaltungsgebäude im Sommer 2012. Im Jahr 2013 zog die Anwaltskanzlei für geistiges Eigentum Da Vinci Partners LLC ein, die das Gebäude bis heute als ihren internationalen Hauptsitz nutzt.
- Hans Geisser